Botschaft der Ortskirchen
(Rat der Christlichen Kirchen des Kantons Waadt(1) , Schweiz, und Reformierte Kirche des Chablais, Frankreich)
an die Präsidenten und Ministerpräsidenten der G 8
24. Mai 2003

Verantwortung, Solidarität, Sicherheit, Demokratie – an diesen vier zentralen, von Präsident Jacques Chirac angeregten Prinzipien werden sich Ihre Gespräche orientieren.

Wir sind uns bewusst, dass ein grosser Teil der Menschheit unter Plagen leidet, die durchaus vermeidbar wären: Mangelernährung, fehlender Zugang zu Trinkwasser, angeschlagene Gesundheit, beklagenswerte Lebensumstände… Wir sind getragen von unserem Glauben an die Liebe Christi für jeden einzelnen Menschen. Das bewegt uns, Sie inständig zu ermutigen, sich in Ihrem Engagement auch von diesen Grundsätzen leiten zu lassen.

Wir bitten Sie, im Namen der wirtschaftlichen Verantwortung, sich mutig einzusetzen für eine transparentere und für die Bedürfnisse der Ärmsten offenere WTO. Erst so kann der Welthandel gerechter gestaltet werden. Erst im gerechten Welthandel werden die kleinen und mittleren Produzenten angemessen entschädigt, ihre Ressourcen geschützt und wird ihnen ein Leben in Würde ermöglicht.

Im Namen der ökologischen Verantwortung bitten wir Sie, sich mutig einzusetzen für den Schutz der Umwelt, damit diese effektiv sauberer und sicherer wird (ohne die drohende Gefährdung durch radioaktiven Abfall). Wir bitten Sie, die internationalen Übereinkommen einzuhalten und die Ausarbeitung neuer Konventionen (Gewässerschutz, Firmenverantwortung...) zu fördern. Erst so werden die künftigen Generationen in einer gesünderen Umwelt als heute leben können.

Wir bitten Sie, im Namen der finanziellen Solidarität, sich mutig einzusetzen für den effektiven Schuldenerlass der am stärksten belasteten Nationen und für eine wirksame Umsetzung von Programmen zur «kreativen Entschuldung» (partielle Reinvestition des Schuldendienstes zugunsten der ärmsten Bevölkerungsschichten).

Im Namen der menschlichen Solidarität bitten wir Sie, sich mutig einzusetzen für die substanzielle Aufstockung der staatlichen Entwicklungshilfebudgets (damit endlich die lange versprochenen 0,7% des BSP erreicht werden). Erst so werden die UNO und die NGO, die anerkanntermassen qualifizierte Arbeit leisten, endlich über genügend Finanzmittel verfügen, um die leidende Bevölkerung überall auf der Welt zu unterstützen.

Wir bitten Sie, im Namen der Sicherheit, sich mutig einzusetzen für die Beendigung aller Waffenexporte in nichtdemokratische und potenziell kriegerische Länder.

Wir bitten Sie, im Namen der Demokratie, sich mutig einzusetzen für eine grundlegende Reform der internationalen Institutionen (insbesondere IWF, Weltbank, WTO und UNO-Sicherheitsrat). Erst danach werden sie die Bedürfnisse der ärmsten Bevölkerungsschichten effektiv einbeziehen und nicht so sehr die Interessen der reichsten Länder und Firmen schützen.

In einer Zeit, da bei Verantwortungsträgern in Wirtschaft, Politik oder Glaubensgemeinschaften die Rede über die «nachhaltige Entwicklung» oder die «Verteidigung des Gemeinwohls gegen das Böse» zum bloss rhetorischen und nicht ungefährlichen Gemeinplatz zu werden droht, bitten wir Gott, für Sie und für uns alle, um Bescheidenheit in den Deklarationen und Grösse in den Taten, um Demut im Verhalten und Grossmut im Engagement.

Unser Leben auf dieser Erde ist bedeutsam und flüchtig zugleich. Wir alle werden eines Tages vor dem Lebendigen Gott und dem Gedächtnis der Menschheit Rechenschaft ablegen müssen über unser öffentliches Handeln und unser verborgenes Tun, über unser Reden und unser Schweigen. In dieser Gewissheit sprechen wir Ihnen unseren aufrichtigen Dank aus für jeden Beitrag, den Sie zum Aufbau einer Welt mit mehr Verantwortung und Solidarität, mehr Sicherheit und mehr Demokratie leisten.