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ZENTRALAUSSCHUSS 1999 NR. 14


2. September 1999

KOSOVO: DIE MAUERN IN DEN KÖPFEN BESEITIGEN - KIRCHEN MÜSSEN SICH EINMISCHEN


"Es gab Stimmen, die meinten, die Kirche solle sich nicht einmischen und besser nur für die Flüchtlinge beten - es seien doch Muslime. Aber die Mehrheit in unserer Kirche war dafür, den Kosovo-Flüchtlingen, die nach Albanien kamen, zu helfen" schilderte Erzbischof Anastasios aus Albanien die Reaktionen seiner Kirchenmitglieder.

Anastasios, Oberhaupt der Autokephalen Orthodoxen Kirche Albaniens, betonte an einem Pressegespräch am Mittwoch, 1. September, in Genf die Bedeutung direkter Hilfe. Viele Mitglieder seiner Gemeinde hätten Angst gehabt vor der Begegnung mit Muslimen, aber die Erfahrungen seien dann durchweg positiv gewesen. "Den Menschen Lebensmittel und andere Dinge zu bringen, war zwar wichtig, aber viel wichtiger war die persönliche Begegnung."

Neben der Versorgung von mehreren Hunderttausend Menschen in Flüchtlingslagern hätten orthodoxe albanische Familien in zwölf Städten auch geflohene Kosovo-Albaner in ihren Häusern aufgenommen. Dieser Einsatz sei durch die finanzielle Unterstützung der ökumenischen Gemeinschaft möglich geworden. Das persönliche Engagement der Kirchenmitglieder habe eine Atmosphäre von Anteilnahme und Nähe geschaffen. Das sei auch deshalb bemerkenswert, weil die Kirche unter dem kommunistischen Regime aufgehörte hatte zu existieren, betonte Anastasios.

Laut ÖRK-Europasekretär Alexander Belopopsky haben der ÖRK, der Lutherische Weltbund (LWB) und die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) bereits im März 1998 in einem offenen Brief an die Kirchen Jugoslawiens appelliert, alles zu tun, damit eine friedliche Lösung in Respekt vor der Identität und der Geschichte aller Völker im Kosovo möglich werde. Auch sonst habe sich der ÖRK - leider vergeblich - um einen Ausweg bemüht.

Während des Krieges hätten sich dann ÖRK und LWB zusammen mit Partnerorganisationen im Rahmen von "Kirchen helfen gemeinsam" (ACT) für die Opfer engagiert. Delegationen des ÖRK, des LWB, und der KEK besuchten während der NATO-Bombardierungen Mitte April 1999 den Kosovo und forderten weiterhin das sofortige Ende der Bombardierungen. Im Juni schliesslich hätten ÖRK, LWB, KEK und der Reformierte Weltbund (RWB) das Friedensabkommen in einer Stellungnahme begrüsst.

"Die internationale Gemeinschaft war nicht auf das Ausmass der Flüchtlingskatastrophe vorbereitet", erklärte Elizabeth Ferris vom ÖRK-Team "Internationale Beziehungen". ACT und seine Partner haben sich in Flüchtlingslagern engagiert und Familien in Albanien und Mazedonien, die Kosovo-Flüchtlinge aufnahmen, unterstützt.

Heute, nachdem fast alle Geflohenen wieder zurückgekehrt seien, gehe es vor allem um Nahrungshilfe und um geschützte Räume für die Winterzeit. ACT habe bisher Spenden in Höhe von mehr als 60 Millionen US-Dollar in der Region eingesetzt, sagte Ferris. Sie wies darüber hinaus darauf hin, dass die Nachbarländer des Kosovo, die viel für die Flüchtlinge getant hätten, inzwischen kaum mehr internationale Hilfe erhielten.

Keith Clements, Generalsekretär der KEK, berichtete über die internationale ökumenische Konsultation zu "Kirchen und die Kosovo-Krise", zu der sich Ende Mai dieses Jahres rund 40 Vertreter und Vertreterinnen hauptsächlich aus Europa und Nordamerika in Budapest getroffen hatten, um das weitere Vorgehen zu beraten.

In den Kirchen und zwischen den Kirchen passiere vieles, was nicht nach aussen dringe. Zum Beispiel gebe es regelmässige Kontakte zwischen Kirchen der Region und ihren Regierungen. "Die Versöhnung im Kosovo ist ein extrem schwieriges Thema, weil es nicht nur um Wiederaufbau und Wiederansiedlung geht, sondern darum, in den Menschen überhaupt erst wieder den Gedanken von Zusammenleben und Gemeinsamkeit zu wecken."


Weitere Informationen erhalten Sie von Karin Achtelstetter, ÖRK-Medienbeauftragte
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