Ökumenischer Rat der Kirchen Kommunikationsabteilung
Pressemitteilung

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ZENTRALAUSSCHUSS
29. Januar - 6. Februar 2001
Potsdam, Deutschland

3. Februar 2001

Beobachtungen am Rande des Besuchs-Programms für ÖRK-Journalisten zum Thema "Gewalt überwinden"
Sightseeing - oder: was man eigentlich nicht sehen will


1000 bis 2000 Menschen sind in Berlin obdachlos, schätzungsweise, wahrscheinlich sind es mehr. Die meisten sind krank, körperlich, oft auch seelisch.

Nein, die Informationen waren nicht ungewöhnlich, auch das Umfeld der Info-Verstaltung für Journalisten nicht: eine Kirchen-Gemeinde in einer deutschen Gross-Stadt.

Eingeladen waren zu diesem Presse-Termin Journalistinnen und Journalisten, die sich anlässlich der Zentralausschuss-Sitzung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Potsdam aufhielten. Inländische und ausländische Kolleginnen und Kollegen wollten mehr über die Arbeit einer Initiative wissen, die auch politische Forderungen stellt, um die Strukturen, die zu Obdachlosigkeit führen, zu ändern. Die ungezählten Gründe für deren wurden schon in ungezählten Reportagen in Europa und Nordamerika dokumentiert. Und: es gibt Menschen, wie Pfarrer Joachim Ritzkowsky und Christiane Pförtner, die in vielen Initiativen versuchen, Obdach- und Wohnungslosen zu helfen. Nein, eigentlich berichteten Ritzkowsky und Christiane Pförtner von der Arbeitsgemeinschaft "Leben mit Obdachlosen" von der Kirche Heilig Kreuz - Passion aus Berlin, Bezirk Kreuzberg, damit nichts Neues. Ab- und aufgeklärte Journalisten winken bei solchen Geschichten ab: Das ist halt so, nicht alle können aufgefangen werden, ist man versucht zu sagen. Wo gehobelt wird, da fallen Späne!

Woher also das ungewohnte Gefühl?
Ein Gast war aus den USA - einem der reichsten Länder der Welt - angereist. Ein anderer aus Bangladesch - seine Heimat zählt zu den ärmsten Ländern. Klar, in Amerika gibt es sie auch, die Obdachlosen und auch die Guten, die helfen wollen. Und in Bangladesch? Ja, aber, das ist ja etwas ganz anderes - wir wissen ja, dass dort die Menschen arm sind. Der Kollege aus Asien wollte weitere Information: "Warum gibt es im reichen Deutschland Obdachlose? Warum 'verbringt' sie die Polizei aus dem Stadt-Zentrum? Und weshalb gibt es in der Gitschinerstrasse 15 eine Erste-Hilfe-Station für Obdachlose?"

Vielleicht hatte man sich an den Gedanken schon fast "gewöhnt", dass in diesem Staat nicht alles glatt läuft. Auch die Argumente um Lösungsmöglichkeiten sind bekannt, die "Beweise", warum eigentlich niemanden eine persönliche Schuld trifft, können zitiert werden. Die Fragen des Kollegens waren alle schon einmal beantwortet worden, und trotzdem machten sie uns - unruhig? - unsicher? Denn er wunderte sich wirklich, dass in Deutschland Menschen Opfer der Bürokratie werden, dass sie unter struktureller Gewalt leiden. Dass Obdachlose einen "Läuseschein" brauchen, um in einer Notübernachtung schlafen können. Und er war geradezu begeistert, als er von den Hilfsangeboten der Berliner Hilfs-Initiativen hörte und die freundliche Atmosphäre in den Räumen der Kreuzberger Gemeinde besichtigte: Möglichkeit für Obdachlose, sich und ihre Kleidung zu waschen, die Beratungsstelle für Ausländer, die Wärmestube, die Suppenküche. Als Christ freute ihn die Hilfsbereitschaft der Initiative. Aber warum in einem christlichen Land solche Hilfsangebote überhaupt nötig sind, veranlasste ihn, Fragen zu stellen. Fragen, auf die Christen keine Antwort wissen. Sondern sich höchsten schämen. Wenigstens ein wenig.

Zentralausschuss: Fotos


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