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ZENTRALAUSSCHUSS
29. Januar - 6. Februar 2001
Potsdam, Deutschland

12. Februar 2001

Unterschiedliche Positionen im Zentralausschuss zur Frage der Gewaltanwendung zur Unterstützung humanitärer Ziele


"Was heisst: in extremen Situationen darf in Ausnahmefällen Gewalt angewandt werden?" fragte Bischöfin Margot Kässmann (Hannover), "War das etwa keine extreme Situation, in der Jesus seinen Jüngern gesagt hat, sie sollten das Schwert an seinen Ort stecken?" Kässmann vertrat die Ansicht, dass es keinen Frieden in Gerechtigkeit geben könne, der mit Hilfe von - wenn auch begrenzter - Gewalt erreicht werden könne.

Die ganze Spannweite der Positionen zum Thema Gewalt zeigte sich in der Diskussion im Anschluss an den Bericht, den der Vorsitzende des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates (ÖRK), Seine Heiligkeit Aram I., Katholikos von Kilikien (Libanon), am Montag, 30. Januar 2001 dem Zentralausschuss in Potsdam präsentierte. Viele Mitglieder des Zentralausschusses berichteten aus ihrem jeweiligen Umfeld, ihren persönlichen Erfahrungen und Überzeugungen.

Fernando Enns von der Mennonitischen Kirche in Deutschland betonte, dass es das Wesen der Kirchen sei, für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten. Auch er wehrte sich gegen die Legitimierung von Gewalt als letztem Ausweg. "Über diese Position ist der ÖRK schon lange hinausgegangen," sagte Enns. Trotzdem sehe auch er das Dilemma, in dem zum Beispiel auch der Theologe und Pazifist Dietrich Bonhoeffer gesteckt habe, als er für die Ermordung Hitlers gearbeitet habe, wohl wissend, dass er damit Schuld auf sich lade. "Aber lassen Sie uns nicht einen 'Gerechten Krieg' gutheissen! Das ist nicht das prophetische Wort, auf das die ausserhalb der Kirche Stehenden warten!" mahnte Enns.

Ob die Amerikaner afrikanischer Herkunft die Rassenschranken auch überwunden hätten, wenn sie - wie Martin Luther King es gefordert und gelebt habe - gewaltlos geblieben wären, fragte Angelique Walker-Smith vom Nationalen Baptistenbund USA. "Die Spannung zwischen Pazifismus und Gewalt wird bleiben - und die Schuld, die mit beiden verbunden ist!" sagte sie.

Trond Bakkevig von der Kirche von Norwegen berichtete von den Erlebnissen innerhalb seiner eigenen Familie während des zweiten Weltkrieges, als man keinen anderen Ausweg gesehen habe, als gegen die deutschen Besatzer zu den Waffen zu greifen. "Ich wünsche mir gerade aufgrund dieser Erfahrungen eine klare Option für Gewaltlosigkeit - aber ich weiss auch, dass das manchmal nicht möglich ist. Trotzdem bleibt die grosse Frage: wo ist die Grenze zur Anwendung von Gewalt, und wer entscheidet darüber?"

Auch Bischof Bernard Ntahoturi von der Bischöflichen Kirche Burundis verwies auf eigene Erfahrungen: "In meiner Heimat sind im Konflikt zwischen ethnischer Mehrheit und Minderheit viele Menschen getötet worden. Aufbau von Gemeinschaft muss auch heissen, das Zusammenleben von Mehrheiten und Minderheiten zu fördern. Verbrecherische Regime dürfen sich solche Unterschiede nicht mehr zunutze machen können!"

Bischof Zacharias Mar Theophilus von der Syrischen Mar-Thoma-Kirche von Malabar (Indien) verwarf jeglichen Versuch, Gewaltanwendung zu legitimieren - in welcher Situation auch immer. "Ich komme aus dem Lande Gandhis," sagte Bischof Zacharias, "und lebe jetzt im Lande Martin Luther Kings. Ich wehre mich gegen die Anwendung von Gewalt, auch als letzten Ausweg, weil ich weiss, welche Macht Gewaltlosigkeit darstellt. Das ist auch die Botschaft des Kreuzes!"

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