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8. März 2001

Ökumenisches Team fordert "radikales Umdenken" der Kirchen und Glaubensgemeinschaften in der HIV/AIDS-Problematik


Die Regierungen müssen mit den Religionsgemeinschaften eng zusammenarbeiten, wenn sie wirksame HIV/AIDS-Programme durchführen wollen, erklärte ein Team des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) vor den Teilnehmenden einer Tagung am Sitz der Vereinten Nationen (UNO).

Kirchen und andere glaubensgeleitete Organisationen komme bei der Betreuung von AIDS-Kranken und bei der Präventionsarbeit eine zentrale Rolle zu, sagten sie gegenüber Regierungsvertretern.

Das ÖRK-Team weilte im Rahmen der Vorbereitungen für eine Sondertagung der UN-Generalversammlung, die vom 25. - 27. Juni am Sitz der UNO stattfinden soll, zu einwöchigen (26. Februar - 2. März) informellen Konsultationen in New York.

Christoph Benn, Arzt am Deutschen Institut für ärztliche Mission (DIFAM), koordiniert die HIV/AIDS-Arbeitsgruppe des ÖRK und führte das Team an.

Ausserdem gehörten dem Team die Koordinatorin des Internationalen Gesundheitsdienstes der Presbyterianischen Kirche (USA), Dorothy Brewster-Lee an, der Generalsekretär des Internationalen Christlichen AIDS-Netzwerkes, Marian C. L. Grandia-Feddema, und Gideon Byamugisha, ein anglikanischer Priester, der ein Gesundheitsprogramm für die Diözese Namirembe, Uganga, leitet.

Eine von dem Team vorbereitete und in New York herausgegebene Erklärung fand die Unterstützung der Weltkonferenz für Religion und Frieden wie auch der evangelikalen Organisation World Vision.

"Nachdem wir zwanzig Jahre lang mit angesehen haben, wie sich die AIDS-Pandemie überall in der Welt ausbreitet, müssen wir in der Frage, wie wir darauf reagieren, radikal umdenken", heisst es in der Erklärung.

Es wird darin ausgeführt, dass über 80 % der Weltbevölkerung sich einer Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen und dass sich deshalb HIV/AIDS-Programme, wenn sie erfolgreich sein wollen, die Präsenz dieser Gemeinschaften in allen Bevölkerungsbereichen zunutze machen müssen.

"Glaubensgeleitete Organisationen haben vertrauenswürdige Leitungen, bereits etablierte Strukturen und wirksame Kommunikationsmittel auf allen Ebenen der Gesellschaft, heisst es weiter, und es wird darauf hingewiesen, dass diese Gruppen schon jetzt einen grossen Teil der Betreuung für AIDS-Infizierte und andere, beispielsweise für AIDS-Waisen leisten.

Das Team räumte ein, dass Religionsgemeinschaften die Übertragungsweisen von AIDS "allzu oft schamhaft verschweigen". Diese Gemeinschaften haben aber andererseits die Möglichkeit, Veränderungen in den Verhaltensweisen zu bewirken, denn "Sexualverhalten wird von moralischen und religiösen Überzeugungen tiefgreifend beeinflusst".

Die Regierungsvertreter wurden zugleich daran erinnert, dass AIDS und seine verheerenden Auswirkungen einzelne Menschen und Gemeinschaften in "geistliche Not" stürzen, auf die glaubensgeleitete Organisationen besonders gut eingehen können.

Für Viele, die mit AIDS zu tun haben, so Benn, stellen glaubensgeleitete Organisationen allerdings "eher ein Problem als einen Gewinn" dar, und das "vor allem wegen ihrer Einstellung zu Kondomen".

Es ist wenig ergiebig, die Debatte über die AIDS-Prävention auf eine Kondomdiskussion zu reduzieren; das Team, so führte er aus, hat mit seiner Erklärung den Versuch unternommen, die Diskussion aus dieser Sackgasse herauszuführen.

In der Erklärung wird ein ganzheitliches Konzept für die Prävention gefordert, das vor allem auf eheliche Treue und Enthaltsamkeit ausserhalb der Ehe setzt. Das Team tritt aber zugleich dafür ein, bei denen, die sich nicht in der Lage fühlen oder nicht bereit sind, sich an diese Regeln zu halten, für die Benutzung von Kondomen zu werben. Die Erklärung fordert nachdrücklich freiwillige Tests und Beratung als Schritte zu verantwortungsvollerem Verhalten.

Das ÖRK-Team führte Uganda als Beispiel für die Zusammenarbeit der Regierung mit der religiösen Gemeinschaft an, denn das dort angewandte ganzheitliche Konzept hat bereits zu einer spürbaren Verringerung der Neuinfektionen geführt.

Byamugisha, dessen Frau im Jahre 1991an einer mit AIDS zusammenhängenden Krankheit starb und der im vergangenen Jahr durch einen Test erfuhr, dass er selbst HIV-positiv ist, trug die Position des ÖRK-Teams im Rahmen der UN-Konsultationen mündlich vor. In Uganda hat das "gemeinsame Präventionskonzept" zu "mehr Enthaltsamkeit, weniger Gelegenheitssex und einem häufigeren Gebrauch von Kondomen geführt", berichtete er den Teilnehmenden der Konsultation.

Die Konsultationen befassten sich vor allem mit einem Bericht des UN-Generalsekretärs; für Mai ist eine zweite Tagungswoche vorgesehen, in der ein Aktionspapier für die Sondertagung im Juni formuliert werden soll.

In seiner Würdigung dieses Berichts wies das ÖRK-Team allerdings darauf hin, dass glaubensgeleitete Organisationen darin zu wenig Beachtung fänden; sie würden eher mit anderen Nichtregierungsorganisationen zusammengeworfen denn dass auf ihre spezifische Bedeutung verwiesen würde. Auch werde in einem Abschnitt über Prävention mehr für Kondome geworben anstatt auf ein ganzheitliches Konzept zu drängen, das auch eheliche Treue und Enthaltsamkeit einschliesst.

Das ÖRK-Team konnte sich auf ökumenische Bemühungen stützen, die seit den 80er Jahren zur HIV/AIDS-Problematik unternommen worden sind. Eine Informationsbroschüre für Gesundheitspersonal aus dem Jahre 1987 wurde in 55 Sprachen übersetzt und weit verbreitet. Im Jahre 1996 hat der ÖRK-Zentralausschuss eine Erklärung herausgegeben, in der die Kirchen aufgefordert werden, sich dieser Problematik dringend anzunehmen und zu handeln. Seither sind die Aufklärungsbemühungen weitergegangen, und im Juli vergangenen Jahres nahm ein 8-köpfiges ÖRK-Team an der Internationalen AIDS-Konferenz in Durban, Südafrika, teil.

Ferner wird ein ÖRK-Team an den Konsultationen im Mai wie auch an der Tagung der Generalversammlung im Juni teilnehmen.


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