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9. August 2000

Die weiblichen Züge Liberias
von Karin Achtelstetter


Monrovia feiert. Zum 153sten Mal jährt sich am 26. Juli der Unabhängigkeitstag Liberias - ein nationaler Feiertag. Die Hauptstrassen sind bereits früh am Morgen gesperrt. Der Verkehr wird durch Seitenstrassen umgeleitet. Erwartet werden Ihre Exzellenzen: Olusegun Obasanjo, Präsident von Nigeria; Gnassingbe Eyadema, Präsident von Togo; Alpha Oumar Konare, Präsident von Mali und Yahya Jammeh, Staatsoberhaupt von Gambia.

Gemeinsam mit dem liberianischen Präsidenten Charles Ghankay Taylor werden sie gegen Mittag zu den Klängen von Händels Halleluja in den in den nationalen Farben - Blau, Rot und Weiss - geschmückten Centennial Pavillon einziehen.

Ein ungewöhnlicher Tag, um einen Frauen-Solidaritätsbesuch in Liberia zu beginnen. Eine fünfköpfige internationale, ökumenische Frauendelegation wird für gut eine Woche Frauen und Frauenorganistionen in Liberia besuchen. Die fünf Frauen möchten sich vor Ort über die Situation von Frauen und Kindern im Nachkriegs-Liberia informieren. Sie möchten den Liberianerinnen internationale Solidarität bezeugen und sie möchten vor allem eines tun: zuhören. Organisiert und durchgeführt wurde dieser Solidaritätsbesuch von Vertreterinnen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), des Weltbundes Christlicher Verbände Junger Frauen (CVJF), der Gesamtafrikanischen Kirchenkonferenz und des Lutherischen Weltbundes (LWB).

In der Tat - ein ungewöhnlicher Tag: der ausgeschmückte Festsaal, die Herren in Frack oder Smoking, die Damen im Abendkleid, in der Amtsrobe oder in der Uniform: liberianische Frauen in gesellschaftlichen Schlüsselpositionen. Die Oberste Gerichtsbehörde wird von einer Frau geleitet ebenso wie die Versöhnungkommission. Frauen haben leitende Positionen in der Polizeibehörde und sind in der Armee. Einige von ihnen haben während des Bürgerkrieges für Charles Taylor's National Patriotic Front of Liberia (NPFL) gekämpft und es bis zu Kommandantinnen gebracht.

"Liberianische Frauen sind anders ... sie sind ganz besondere Menschen ... sie sind stark", erklärt eine Repräsentantin des nationalen CVJF. "Die liberianische Kultur hat Frauen immer hoch geschätzt, als dann aber der Krieg kam, gingen Frauen bis zum Äussersten. Was immer eine liberianische Frau während des Krieges auch getan haben mag, sie tat es, um das Überleben der Familie zu sichern - und deshalb vergebe ich ihr", ergänzt sie. Frauen auf der Seite der Gewinner und Frauen als Opfer. Frauen als Friedens- und Versöhnungsstifterinnen und Frauen als Kommandantinnen von Kindersoldaten. Die Vergangenheit ebenso wie die Gegenwart Liberias trägt viele weibliche - auf den ersten Blick sich widersprechende - Züge.

Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation gehen davon aus, dass während des rund acht Jahre dauernden Bürgerkrieges in Liberia mehr als ein Drittel der rund 500.000 vertriebenen Frauen und Kinder vergewaltigt wurden. Berichte über Folterungen und Tötungen von Mädchen, Schwangeren und Müttern füllen die Aktenschränke der internationalen Hilfsorganisationen. Daneben gibt es Reporte von und über Frauen, die für die ein oder andere Kriegspartei in den Kampf zogen oder wichtige Schlüsselfunktionen in den verschiedenen Gruppierungen innehatten. Und schliesslich war es nicht zuletzt das couragierte Eintreten von Frauenfriedensgruppen, wie der Women's Peace Initiative (WPI), die dem Land Frieden brachten.

Seit drei Jahren herrscht ein zerbrechlicher Frieden in Liberia. Der Festakt zum Unabhängigkeitstag wird von neuen Kampfhandlungen im Nordwesten des Landes überschattet, und die festliche Idylle im Centennial Pavillon kann nicht über die starke Militärpräsenz und über die Kriegsruinen in der Stadt hinwegtäuschen.

Wie leben Frauen und Kinder in dieser kriegerischen Nachkriegszeit? Wie verarbeiten sie die Vergangenheit? Welche Unterstützung erwarten Sie in der Zukunft?

Fragen mit denen sich das internationale ökumenische Frauenteam in den kommenden Tagen beschäftigen wird.

Mitglieder des internationalen ökumenischen Frauenteams sind:

Hélène Yinda, Weltbund der CVJF, Genf, (Teamleitung)
Karin Achtelstetter, ÖRK, Genf
Jessica Babihuga Nkuuhe, ISIS, Uganda
Lillian Chirombe, Weltbund der CVJF, Simbabwe
Ashley Seaman, ÖRK, Presbyterian Church (USA)

Dieses Feature entstand während des Besuchs einer fünfköpfigen internationalen, ökumenischen Frauendelegation in Liberia vom 26. Juli bis 2. August. Es eröffnet eine Feature-Serie über das westafrikanische Land. Die fünf Frauen informierten sich vor Ort über die Situation von Frauen und Kindern im Nachkriegs-Liberia. Organisiert und durchgeführt wurde dieser Solidaritätsbesuch von Vertreterinnen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), des Weltbundes Christlicher Verbände Junger Frauen (CVJF), der Gesamtafrikanischen Kirchenkonferenz und des Lutherischen Weltbundes (LWB).

Dekade zur Überwindung von Gewalt (2001-2010)

Auf der Achten ÖRK-Vollversammlung in Harare, Simbabwe, riefen die Delegierten aus den mehr als 300 ÖRK-Mitgliedskirchen die Dekade zur Überwindung von Gewalt (DOV) ins Leben. Die Vollversammlung erklärte, der ÖRK solle in Fragen der Gewaltlosigkeit und Versöhnung "strategisch mit den Kirchen zusammenarbeiten, um eine Kultur der Gewaltlosigkeit zu schaffen". Die Dekade, die im Februar 2001 weltweit ausgerufen werden wird, wird auf den Initiativen aufbauen, die bereits weltweit existieren und ein Forum bieten, auf dem Erfahrungen ausgetauscht und Beziehungen hergestellt werden, um voneinander zu lernen.


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Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) ist eine Gemeinschaft von 337 Kirchen in über 100 Ländern auf allen Kontinenten und aus praktisch allen christlichen Traditionen. Die römisch-katholische Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ÖRK zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefähr alle sieben Jahre zussammentritt. Der ÖRK wurde 1948 in Amsterdam (Niederlande) offiziell gegründet. An der Spitze der Mitarbeiterschaft steht Generalsekretär Konrad Raiser von der Evangelischen Kirche in Deutschland.