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9. Februar 2000

ÖRK-Generalsekretär Konrad Raiser fordert "Frühwarnsystem" zur rechtzeitigen Erkennung von drohenden massiven Menschenrechtsverletzungen


Gegen eine generelle Legitimation humanitärer Interventionen mit militärischen Mitteln hat sich der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Konrad Raiser, ausgesprochen. Sie sollten ein "Ausnahmefall bleiben, für dessen Legitimierung eindeutige und völkerrechtlich verbindliche Regeln und Kriterien festgelegt werden müssen", forderte Raiser am Dienstag, 8. Februar, vor Teilnehmern und Teilnehmerinnen der 11. Internationalen Konferenz der Chefs der Armeeseelsorger, die vom 7. bis 11. Februar in Genf stattfindet.

Vor allem der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien sowie die NATO-Intervention im Kosovo-Konflikt, aber auch die "selbstkritische Analyse" der Vereinten Nationen (UN) angesichts der "tragischen Ereignisse in Ruanda 1994", hätten die erneute Diskussion über die Zulässigkeit humanitärer Interventionen unumgänglich gemacht, so Raiser in seinem Vortrag.

In diesem Zusammenhang kündigte Raiser eine ÖRK-Studie über die ethischen Probleme sogenannter humanitärer Intervention an. Die Studie, die in Konsultation und Zusammenarbeit mit kirchlichen Hilfswerken, humanitären Organisationen und Forschungsinstituten erarbeitet wird, soll dem ÖRK-Zentralausschuss bei seiner nächsten Sitzung im Januar 2001 vorgelegt werden.

Raiser bedauerte in seinem Vortrag, dass sich "die ethisch-politische Diskussion vor allem auf die Frage der Legitimität bewaffneter humanitärer Intervention konzentriert": "Das hat zur Folge, dass den anderen Formen der Intervention zum Schutz der Menschenrechte unterhalb der Schwelle bewaffneten Eingreifens nur ungenügende Aufmerksamkeit gewidmet worden ist." Im Interesse der Eingrenzung von Fällen, "wo eine bewaffnete Intervention unabweisbar notwendig erscheint", müsste das Instrumentarium anderer Möglichkeiten weiterentwickelt und ausgeweitet werden, forderte der ÖRK-Generalsekretär.

Als positive und wirksame Beispiele nannte Raiser in diesem Zusammenhang die Einsetzung von Sonderberichterstattern für bestimmte Länder und Kategorien von Menschenrechtsverletzungen sowie die Entsendung von Wahl- und Menschenrechtsbeobachtern. Allerdings müssten diese Massnahmen konsequent ausgestaltet und weiterentwickelt werden.

So forderte Raiser im Rahmen der Vereinten Nationen die Schaffung einer "ständigen Überwachungsinstanz" und eines "Frühwarnsystems zur rechtzeitigen Erkennung von drohenden massiven Menschenrechtsverletzungen". Als besonders dringlich bezeichnete der ÖRK-Generalsekretär zudem die "Erarbeitung von Massnahmen zum Schutz von Minderheiten und von Bevölkerungsgruppen, die als Folge von bewaffneten Konflikten zu Flüchtlingen im eigenen Land" geworden sind.

Um diese anderen Möglichkeiten wirksam nutzen und ausbauen zu können, wäre freilich ein Umdenken weg von der "vorrangig militärischen Logik der Krisenreaktion hin auf genuin humanitäre Massnahmen notwendig". Dies müsste begleitet werden von "entschlossenen Schritten, um materielle und finanzielle Ressourcen umzulenken von der gegenwärtig betriebenen Bildung von militärischen Eingreiftruppen hin auf eine Stärkung der zivilen Instrumentarien humanitärer Aktion und des Schutzes der Menschenrechte", so Raiser.

Das "eklatante Missverhältnis" zwischen den Aufwendungen für die NATO-Intervention im Kosovo-Konflikt und der zögerlichen Bereitstellung der notwendigen personellen und finanziellen Mittel zum Aufbau einer neuen Ordnung nach Beendigung der Militäraktion zeige allerdings, "dass es bislang weder in der Öffentlichkeit noch bei den verantwortlichen Regierungen den Willen zu dieser Neuorientierung gibt".

Der Vortrag von ÖRK-Generalsekretär Konrad Raiser zur 11. Internationalen Konferenz der Chefs der Armeeseelsorger zum Einsatz militärischer Mittel in humanitären Interventionen, 7. bis 11. Februar in Genf, ist vom Büro der ÖRK-Medienbeauftragten erhältlich und befindet sich auf der ÖRK-Webseite http://wcc-coe.org/wcc/what/international/hum-int-kr-g.html.


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