Ökumenischer Rat der Kirchen

Achte Vollversammlung
Beratende Plenarsitzung:"Ubuntu und der afrikanische Kairos"


INHALTSVERZEICHNIS

Klichen Sie hier für:

1. Tagesordnung für die Plenarsitzung

2. Afrika : Der Fußabdruck Gottes N. Barney Pityana

3. Ein Brief an meine Ahnen Mercy Amba Oduyoye

4. Verpflichtung zu einer Reise der Hoffnung

Tagesordnung für die Plenarsitzung Afrika

Begrüßung und Einführung
Die Plenarsitzung wird mit einer kurzen Diavorführung eröffnet, bei der im Hintergrund eine aufgehende Sonne über eine riesige Landkarte von Afrika projiziert wird. Als Hintergrundmusik sind afrikanische Trommeln zu hören. Mit dem Ende der Diashow werden die Trommelklänge leiser, und der Vorsitzende der Plenarsitzung, Dr. Aaron Tolen, hält eine fünfminütige Einführungsansprache.

Gesprächüber Ubuntu und den afrikanischen Kairos
Auf der Bühne führen drei Darsteller ein Gespräch miteinander, wobei ein Konflikt zwischen zwei Vermächtnissen deutlich werden soll - dem der Unterdrückung und Beherrschung auf der einen Seite und dem des Widerstandes und Kampfes auf der anderen. Dieses Gespräch sollte zur heutigen Situation überleiten, in der nach sehr langer Zeit Afrika die Freiheit hat, frei zu sein, und das Recht, nicht unterdrückt zu sein, und daher versucht, seine eigene Zukunft zu definieren und zu bestimmen.

Die Geschichten werden mittels eines Sketches einer populären Theatergruppe aus Simbabwe (ZACT) erzählt:

Kurzes Trommelspiel und Gesang

Analyse und Interpretation
Pfr. Dr. Barney Pityana und Dr. Mercy Oduyoye interpretieren und analysieren die Präsentationen (jeweils 15 Minuten). Die gelebte Erfahrung und die Analyse sollten so miteinander verbunden werden, daß die Verflechtung des afrikanischen mit dem globalen Kontext deutlich wird. Auf diese Weise können auch Methode und Inhalt, zu dem die aktuellen Probleme in Afrika gehören und die Art und Weise, wie Afrika damit umgeht, verbunden werden.

Debatte im Plenum
Der Vorsitzende fordert zu Wortmeldungen aus dem Plenum auf. Damit wird den Delegierten Gelegenheit zu weiteren persönlichen Zeugnisse gegeben. Fragen und Kommentare sind ebenfalls willkommen.

Akt der Verpflichtung
Dreiundfünfzig afrikanische Kinder, angeführt von Frau Nyoni, kommen auf die Bühne und singen Nkosi Zikilela Afrika. Jedes Kind trägt die Flagge eines afrikanischen Landes, um die Einheit in der Vielfalt zu zeigen.

Die Plenarsitzung endet mit einem Akt der Verpflichtung - alle Afrikaner des Kontinents und der Diaspora, die sich im Plenarsaal befinden, stehen auf und verpflichten sich, für ein besseres Afrika zu arbeiten, und vor allem dazu, zu sagen, daß Afrika nie wieder Erniedrigung hinnehmen wird. In dem Akt der Verpflichtung rufen die Afrikaner die Vollversammlung auf, sie auf ihrer Reise der Hoffnung zu begleiten. Die übrigen Delegierten antworten, indem sie ebenfalls aufstehen und als Zeichen der Solidarität in den Gesang Nkosi Sikeleli Afrika einstimmen.

Am Schluß sind wieder aus allen Ecken des Plenarsaals Trommeln aus verschiedenen Teilen Afrikas zu hören. Schließlich gehen die Geräusche ineinander über, während die Delegierten den Saal verlassen. Im Anschluß an die Plenarsitzung findet der kulturelle Abend statt; beide Programmteile sollten als zwei Phasen des gleichen Prozesses verstanden werden.


Afrika Der Fußabdruck Gottes
N. Barney Pityana

In Langebaan an der Westküste Südafrikas wurden kürzlich mehrere versteinerte Fußspuren entdeckt. Paläontologen schätzen ihr Alter auf etwa 117 000 Jahre. Man glaubt, daß die Spuren zu einem Vorfahren der heutigen Menschheit gehören. Sie zählen zu den ältesten Funden des unter anatomischen Gesichtspunkten heutigen Menschen. Diese Spuren sind nur eines der derzeit von Archäologen und Vorgeschichtlern entdeckten Zeichen dafür, daß Afrika die Wiege der Menschheit und der Geburtsort des heutigen Menschen ist.

Im Gegensatz zu dieser neuen, sensationellen Entdeckung aus der Früh- oder sogar Vorgeschichte der Menschheit steht die Begegnung der modernen europäischen Besucher und späteren Siedler mit Afrika. Im 15. Jahrhundert gingen europäische Seefahrer an Land, betraten afrikanischen Boden und begegneten den Menschen Afrikas. Ihre aufregende Entdeckung war, daß diese Menschen keine Religion hatten. Man glaubte, sie hätten keine Religion, weil es keine Zeichen von Religiosität gab: keine Tempel oder sakralen Gebäude, keine Orte, die man deutlich als heilige Orte herausgehoben hätte, keine der Andacht gewidmeten Zeiten, keine Gesten, die auf die Verehrung des Göttlichen hindeuteten. Diese Menschen sangen, tanzten und trommelten mit zu Schau gestellter Sinnlichkeit.

Es kann daher nicht verwundern, daß die Funde aus Afrika keine Zeichen der Gottesverehrung einer prähistorischen Menschheit sind, sondern den Inbegriff des Menschseins darstellen: Fußspuren. Die Menschen hinterließen Spuren in ihrer Umwelt. Sie machten sich auf den Weg, um Nahrungsmittel zu sammeln, um die Herrschaft über ihre Umwelt zu erlangen und um Beziehungen aufzubauen. Der Mensch bewegt sich fort. Die Kultur und Lebensweise der frühen Menschen läßt sich nicht an religiösen Kunstgegenständen ablesen, sondern nur an menschlicher Tätigkeit. Fossilien von Tieren, Pflanzen und Meereslebewesen der Frühgeschichte sowie wenigstens eine Million Jahre alte Steinwerkzeuge, mit denen Menschen ihr Leben gestalteten, sind an der westlichen Kapküste im Kies gefunden worden. Die Peers-Höhle bei Fish Hoek zeugt von menschlichem Leben vor etwa 500 000 Jahren. Der 1927 zusammen mit acht weiteren menschlichen Skeletten gefundene Fish-Hoek-Mann war etwa 12 000 Jahre alt. Für mich bedeutet all dies: Die Menschen in Afrika waren unterwegs mit Gott, und Gott war unterwegs mit ihnen. Die Form des Fußabdrucks ähnelt der Gestalt Afrikas. Es kann keine anderen Fußspuren, keine anderen Zeichen Gottes geben als die, dass er eins war mit dem Handeln der Menschen. Der Gott Afrikas ist bei den Menschen Afrikas. Gott existiert nur mit den Menschen. Dieser Gott ist schwach und verletzlich, weil wir keinen anderen Gott kennen. Dies ist der Gott, der unser Menschsein kennt, denn Gott hat keine andere Existenz als die unsrige. Wir kennen Gott nur in den Menschen unseres Alltags. Es gibt keine Tempel, keine steinernen Gebäude, keine heiligen Stätten, keine heiligen Gewänder und keine heiligen Zeiten. Das ganze Handeln der Menschen, ihre bloße Existenz war Verehrung des Schöpfergottes. Wenn man die Menschen Afrikas verstehen will, muß man die eigene Sichtweise von Gott und von religiösem Leben verändern. Afrika IST der Fußabdruck Gottes.

Der Diskurs über Afrika darf nicht der Versuchung erliegen, sich einem von zwei Extremen anzuschließen: zum einen dem düsteren Bild von einem Kontinent in ewiger Krise, wo das Volk in der ganzen Geschichte der Neuzeit das Opfer von Ausbeutung ist, wo Korruption und Kriege weit verbreitet sind und wo die Menschen von allen nur vorstellbaren Übeln betroffen sind. Eine Welt ohne Wissenschaft und ohne Wissen. Zephania Kameeta gibt uns das sinnfälligste Beispiel für diese Sicht Afrikas mit einem Zitat von Keith Richburg, einem afroamerikanischen Journalisten, der in den Krisenherden Afrikas stationiert war:

 Erzähl' du mir was von Afrika und von meinen schwarzen Wurzeln und meiner Verwandtschaft mit meinen afrikanischen Brüdern, und ich werde dir deine eigenen Worte vorhalten, und dann werde ich dir die Bilder von dem verfaulenden Fleisch unter die Nase reiben ... Aber vor allem denke ich: Gott sei Dank sind meine Vorfahren da herausgekommen, denn jetzt gehöre ich nicht zu ihnen."
Das andere Extrem ist der berühmte afroamerikanische Wissenschaftler Manning Marable. Marable hat die alten Kulturen Afrikas erforscht. Für ihn steht im Mittelpunkt die Frage, was Afrika der modernen Zivilisation gegeben hat: Afrika als Wiege der Menschheit, als Quelle alter Gelehrsamkeit, Wissenschaft und Kultur; die großen Afrikaner, die die Geschichte des Wissens und der Zivilisation geprägt haben. Damit wird die Geschichte auf verblüffende Weise aus afrikanischer Sicht aufgerollt Afrika ist Subjekt und nicht Objekt der Geschichte, und die Instrumente der Interpretation liegen in den Händen der Afrikaner als Interpreten und Erzähler ihrer eigenen Geschichte. Das Problem daran ist nur, daß man bei dieser Perspektive ignoriert, daß dieses Afrika nicht mehr sichtbar ist; es geht unter in dem Elend, dem Leid und der Ausbeutung, die im heutigen Afrika das Schicksal von vielen geworden sind. Die Kolonisation hat Afrika seiner Seele beraubt. Ein weiteres Problem ist, daß man dazu neigt, alle anderen für das Schicksal Afrikas verantwortlich zu machen, nur nicht die Afrikaner selbst. Afrika muß keine Verantwortung für seine Lage, seine Politik, seine Wirtschaft und seine Kultur übernehmen. Hier sind Kräfte am Werk, der Deus ex machina', der seine teuflische Macht über einem glücklosen Kontinent und seinen Menschen ausspielt. Diese Opftertheorie, die wir vermeiden müssen.

Ich möchte einen Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen anbieten: ich falle weder auf den Zynismus und die pessimistische Sichtweise derer, die Afrika klein machen, herein noch auf die Glorifizierung seiner Vergangenheit durch seine Bewunderer. Ich bediene mich des Glaubens für die Interpretation des Herzens und der Seele Afrikas. Das Bild der Fußspuren sagt mir, daß die Menschen Afrikas jahrhundertelang mit Gott unterwegs waren und mit ihm arbeiteten. Sie sind die Menschen des Glaubens. Der Glaube hielt sie am Leben -- jener Glaube, der zu ihrem normalen Alltag dazugehört. Ihr Glaube sagt ihnen, daß Gott in ihrer Mitte wohnt. Gott geht mit ihnen und leidet mit ihnen. Gott ist nicht die letztgültige Erklärung, denn die Menschen sind die Erklärung ihrer Umwelt und ihrer Umstände. Es fällt immer wieder auf, daß Afrikaner niemals Gott die Schuld an ihrem Leiden geben. Die Lehre der Theodizee gehört nicht zu unserer Religion. Jede Wirkung hat eine Ursache, und die Suche nach Bedeutungen und Erklärungen läßt die Wahrsager im Geschäft bleiben, weil sie über die elementare Welt hinaussehen können. Das Böse passiert nicht einfach, sondern es hat eine Ursache, häufig im menschlichen Bösen und letztlich in den bösen Kräften, die jenseits des menschlich Erfaßbaren liegen. Die Menschheit verfügt über die Kraft zum Guten und zum Bösen.

Die Afrikaner waren mit Gott unterwegs, und Gott wohnte in ihrer Mitte. Gott wurde Mensch. Der Glaube hielt sie am Leben, und sie lebten im Glauben. In ihrem Weltbild waren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft durch die Vorfahren miteinander verbunden. Die Geister der Vorfahren waren allgegenwärtig und griffen vermittelnd in das Schicksal ein. Diese Lebensanschauung machte die Afrikaner zu toleranten Menschen. Zwar führten sie Kriege, hatten Helden und Heldinnen. Zwar unterdrückten die mächtigen Gruppen die weniger einflußreichen das war das Gesetz der Natur. Aber diejenigen, die unter ihrem Schutz lebten, wurden akzeptiert, und der Fremde konnte sich der Gastfreundschaft sicher sein. Das erklärt, warum die Menschen Afrikas kolonisiert wurden. Sie akzeptierten die Fremden und hießen sie willkommen. Sie hatten keinen Schutz gegen Kräfte, die ihre Lebensweise nicht verstanden. Die Weltreligionen wurden in Afrika heimisch. Keine Kultur blieb vollkommen fremd. Jede Kultur wurde zu einem Teil des Ganzen und fand Ausdruck in der Kultur des Kontinents. Deswegen haben wir heute ein Gemisch von Kulturen und Religionen in Afrika. Die Menschen von Afrika sind mit Gott im Glauben unterwegs.

Aber dieser Glaube steckt in einer Krise, und vielleicht ist dies sogar die Ursache der Krise des Kontinents. Afrikaner sind nicht besser oder schlechter als andere Menschen auf der Welt. Sie streben nach besseren Lebensbedingungen für sich und für ihre Kinder. Sie träumen von Freiheit, von besseren Lebenschancen und mehr Wahlmöglichkeiten. Sie haben Regierungen und Systeme kommen und gehen gesehen. Sie wurden von mächtigen Männern herumkommandiert, aber dann kam die Zeit, daß auch diese Männer ins Gras beißen mußten. Es gibt einen Lebenskreislauf, der ebenso vorhersehbar wie unausweichlich ist. Und so ist der Glaube Afrikas von jeher immer eng mit den Menschen verbunden gewesen. Die Menschen haben schon immer das Schicksal ihres Kontinents gestaltet. Der Glaube steckt in einer Krise, weil das Vertrauen in die Menschen erschüttert ist, verraten wurde. Gott scheint die Menschen Afrikas verlassen zu haben. Der Gott, der den Menschen Hoffnung in Zeiten des Unglücks gab und ihre Zukunft sicherte, ist nicht mehr unter ihnen. Die Menschen sind gierigen, gnadenlosen Kräften ausgeliefert. Wie die Israeliten haben wir versucht, so wie die anderen Völker zu sein, und haben dabei vergessen, daß Gott, der mit uns unterwegs ist, in unserer Mitte wohnt. Wir richten Mauern der Trennung und der Feindschaft zwischen uns auf; wir stellen Armeen auf und verschwenden wertvolle Ressourcen für Vernichtungsmittel. Wir richten unsere Waffen gegen unsere eigenen Leute und bringen einander in Bruderkriegen um. Der Reichtum unserer Völker wird auf den Weltmärkten verschachert , aber die Bedürfnisse unserer Bevölkerung werden ignoriert. Unsere Staatschefs bestehlen uns, um unser Geld bei europäischen Banken anzulegen. Schulden lasten auf uns. Unter solchen Umständen bedarf der Glaube unserer Vorfahren einer Erneuerung. Aber an diesem Punkt sind wir schon einmal gewesen.

Ich habe gesagt, daß ich lediglich ein Interpretationswerkzeug entwickeln will; ich möchte mich nicht bei Apologetik aufhalten. Mir scheint, daß dieses Werkzeug uns zu den Menschen Afrikas und zu ihrem Glauben an Gott zurückführen wird. Wir stehen vor dreierlei Herausforderungen: Armut ausrotten, Demokratie, Menschenrechte und gerechte Staatswesen durchsetzen und schließlich moralische Normen für die Welt setzen.

Ich wende mich zunächst der Armut zu, nicht weil ich mich denen anschliessen möchte, die eine düstere Stimmung über Afrika verbreiten. Auch wenn ich mir bewußt bin, daß Afrika die Verantwortung für seine inneren Angelegenheiten selbst übernehmen muß, darf doch nicht vergessen werden , dass Armut kein Naturgesetz ist. Armut wird von Menschen gemacht. Sie wird von Menschen gemacht, weil Armut das Ergebnis politischer Entscheidungen ist, die manche arm und andere reich werden lassen. Insofern als Armut von Menschen gemacht ist, bin ich auch der Ansicht, daß Armut ausgerottet werden kann. Im Bericht über die menschliche Entwicklung von 1997 heißt es dazu kurz und bündig:

Die Ausrottung der Armut auf der ganzen Welt ist mehr als ein moralisches Gebot, mehr als die Pflicht zur menschlichen Solidarität. Sie ist eine praktische Möglichkeit und langfristig ein wirtschaftliches Gebot für globalen Wohlstand. Und weil Armut nicht mehr unvermeidlich ist, sollte sie nicht mehr toleriert werden. Die Zeit ist reif, um die schlimmsten Aspekte der menschlichen Armut in ein oder zwei Jahrzehnten auszurotten eine Welt zu schaffen, die menschlicher, stabiler und gerechter ist." (S. 106)
Diese zuversichtliche These gibt großen Anlaß zur Hoffnung. Mit Bereitwilligkeit und mit politischem Willen kann Armut ausgerottet werden. Etwa 220 Millionen Menschen in Schwarzafrika verdienen weniger als einen Dollar am Tag, 122 Millionen Menschen sind funktionale Analphabeten, 205 Millionen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 205 Millionen sind ohne medizinische Versorgung. Dieser Trend kann und sollte noch während unseres Lebens umgekehrt werden. Das ist zu schaffen, wenn die Korruption in der Verwaltung der öffentlichen Mittel unterbunden wird Korruption ist Diebstahl an den Armen. Korruption kann unterbunden werden, wenn der Staat seine Prioritäten für die Verteilung der verfügbaren Ressourcen so setzt, daß die Armen eindeutig Vorrang genießen. Mit anderen Worten, es ist zu schaffen, wenn der politische Wille da ist. Es ist zu schaffen, wenn die Globalisierung und die Märkte unter Kontrolle gebracht und so gesteuert werden, dass sie auch die Ärmsten begünstigen, und wenn wirklich wechselseitige Abhängigkeit und Lastenteilung in der Handelspolitik gewährleistet sind. Es ist zu schaffen in einer weniger eigennützigen Welt. Es ist zu schaffen, wenn nicht die Armen die erdrückende Schuldenlast zu tragen haben. Es ist zu schaffen. Armut ist ein Fluch für die Menschheit. Im Bericht über die menschliche Entwicklung von 1998 heißt es, daß die Trends im Konsumverhalten zu den Strukturen des modernen Lebens gehören, die verändert werden müssen, wenn die Menschheit die Armut ausrotten will.

Die zweite von mir angesprochene Herausforderung ist der Themenkreis Demokratie, Menschenrechte und gerechte Staatswesen. Natürlich kann Armut nur dann ausgerottet und Korruption nur dann unterbunden werden, wenn eine wahrhaft demokratische Politik betrieben wird, die sich der Not der Menschen annimmt und ihr entgegentritt, kurz gesagt, gerechte Staatswesen. Diese Bestrebungen spiegeln die Vision der afrikanischen Staaten wider, die in der Präambel zur Charta der 1963 gegründeten OAU beschlossen, daß Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Würde die wesentlichen Ziele für die Umsetzung der legitimen Bestrebungen der afrikanischen Völker sind ..." Die 1981 verabschiedete Afrikanische Charta der Menschen- und Völkerrechte legt einheitliche Mindeststandards für afrikanische Völker fest, die auf den Tugenden ihrer geschichtlichen Tradition und den Werten der afrikanischen Zivilisation beruhten, von denen sich das Nachdenken über Menschen- und Völkerrechte leiten lassen sollte". In seinem Bericht an die UNO-Generalversammlung spricht Kofi Annan von dem neu auflebenden Geist Afrikas, der bewußt und ehrlich mit den Strukturen der Vergangenheit umgeht. Dabei erwähnt er die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit als Eckpfeiler eines gerechten Staatswesens. Ein Afrika, das sich für gerechte Staatswesen einsetzt, für die freie Beteiligung der Menschen an der Regierung ihres Landes, für die Interaktion zwischen den Regierten und den mit ihrer Zustimmung Regierenden, für die Ausrottung der Korruption und für Rechenschaftspflicht zu jeder Zeit dieses Afrika wird langfristig Stabilität, Wohlstand und Frieden für alle afrikanischen Völker gewährleisten. In den Worten Kofi Annans:

Afrika muß den Willen aufbringen, die Notwendigkeit gerechter Staatswesen ernst zu nehmen, die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen, die Demokratisierung voranzutreiben sowie Transparenz und Kompetenz in der öffentlichen Verwaltung zu fördern. Wenn gerechte Staatswesen keinen hohen Stellenwert bekommen, wird Afrika sich nicht von drohenden und den bereits ausgebrochenen Konflikten freimachen können."
Fragen nach den geeignetsten Formen der Demokratie für das moderne Afrika bleiben bestehen. Seit dem Höhepunkt der Mehrparteienwahlen, der Abschaffung von Einparteienstaaten und auf Lebenszeit amtierenden Präsidenten mit dem Ende des Kalten Krieges bleiben viele Punkte strittig, nicht nur die Lebensfähigkeit, Qualität' und Relevanz der Art des derzeit stattfindenden Übergangs zur Demokratie, sondern auch seine Nachhaltigkeit und die Chancen für die Konsolidierung/Institutionalisierung der auf den Weg gebrachten Reformen" (Olukoshi, S. 10). All diese Fragen sind legitim; die Antworten darauf könnten dazu beitragen, ein stabileres politisches und gesellschaftliches System aufzubauen, ein System, das die Völker von Afrika als ihr eigenes anerkennen und daher verteidigen können.

Meine dritte Herausforderung ist ein Aufruf zur moralischen Erneuerung des Kontinents und seiner Völker. In gewissem Sinne ist das ein übergreifendes Anliegen, weil es grundlegend für all unsere Anliegen ist. Eine ethische Lebensorientierung ist notwendige Voraussetzung für eine Gesellschaft, die auf dem Prinzip des gerechten Staatswesens beruht und die die Menschenrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger schützt. Eine solche Gesellschaft wird positiv auf das ethische Gebot reagieren, Armut und Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Eine der Ethik verpflichtete Gesellschaft wird auch versuchen, den Willen Gottes so weit als möglich im menschlichen Umgang und in der Organisation der Gesellschaft zu verwirklichen. Man wird der Sache Afrikas niemals mit der derzeit herrschenden moralischen Beliebigkeit oder moralischer Ausschliesslichkeit gerecht werden. Es muß gemeinsame bleibende Werte geben, die uns auf Dauer miteinander verbinden. Das Kennzeichen für die Größe eines Volkes ist seine Fähigkeit, mit den ethischen Herausforderungen seiner Zeit zurechtzukommen und für diese und die kommenden Generationen die Grundlagen für eine gute Gesellschaft zu legen. Wir sind am menschlichsten dann, wenn wir Sensibilität für ehtische Fragen beweisen. Das ist das Kennzeichen des Ubuntu, des Glaubens, der viele Afrikaner an einem Ideal festhalten läßt, das das eigene Menschsein in einer engen Verbindung zu dem Menschsein der anderen sieht das größte Geschenk, das wir nachkommenden Generationen hinterlassen können, einer Welt, in der es mehr und nicht weniger Menschlichkeit, Anteilnahme und Liebe gibt.

All dies sehe ich in der Geschichte von den versteinerten Fußspuren. Die Fußspuren sagen mir, daß Gott groß ist, nicht weil er mächtig ist, sondern weil er unter uns gewöhnlichen, sündigen Menschen leben wollte. Diese Hoffnung kann Afrika mit der Welt teilen. Wenn die ökumenische Bewegung nach der Vollversammlung von Nairobi 1975 nun auf den großen Kontinent zurückkehrt, wird sie ein Afrika vorfinden, das sich nach Frieden sehnt und das mehr Zuversicht für seine Zukunft gewonnen hat ein Afrika voller Glauben und Hoffnung.

Bibliographie

Bericht über die menschliche Entwicklung 1997 und 1998; UNDP.
Echoes: Justice, Peace and Creation 14/98; Genf: ÖRK.
Adebayo O Olokushi (Hrsg.): The Politics of Opposition; Uppsala: Nordiska Afrikainstitutet, 1998.
Kofi Annan: The Causes of Conflict and the Promotion of Durable Peace and Sustainable Development in Africa; United Nations General Assembly; Doc A/52/871-S/1998/318.

Von der Schale zum Kern: ein Brief an meine Ahnen
Mercy Amba Oduyoye

Liebe Ahnen!

Wieder einmal befindet sich der Ökumenische Rat der Kirchen in Afrika, und wir Kinder dieses Landes versuchen, ihm unsere Heimat zu zeigen, das Erbe Gottes, das Ihr für uns bewahrt habt. Als der Rat das letzte Mal hier war, stellten wir unsere Geschichte und unser Menschenbild in dem Spiel "Muntu" dar; einige von Euch waren damals sogar noch leibhaftig unter uns. Während ich Euch heute diese Worte wie ein Trankopfer darbringe, sind mein Herz und meine Seele voller Trauer und Hoffnung - widersprüchliche Gefühle, aber das ist die Wahrheit. Ich habe nämlich gerade von den Schmerzen Eurer Kinder erfahren. Ich erlebe sie am eigenen Leib mit und höre mit meinen eigenen Ohren die Stimmen des Schmerzes der "Familien-Geister der Mittleren Passage"(1). Kein Wunder, daß Ali Mazrui sagt, daß Ihr ärgerlich auf uns seid.(2) Es stimmt, oft müssen wir feststellen, daß wir auf uns selbst ärgerlich sind und uns immer wieder schwören: "Nie wieder". Aber selbst wenn wir "nie wieder" sagen und die Apartheid besiegen, sind wir überall dem Wirbelsturm des Rassismus ausgesetzt. Wir sehnen uns danach, authentisch zu sein, wir sehnen uns danach, die Stärke zu entdecken, mit der Ihr der totalen Vernichtung des Erbes Eurer Vorfahren und sogar der totalen Vernichtung unserer Rasse in diesem Land widerstanden habt. Wir sehnen uns danach, Eure Weisheit wiederzuentdecken, denn vielleicht können wir Einsichten und Inspiration für unsere gegenwärtigen Kämpfe und Probleme daraus gewinnen, denn auch wir wehren uns dagegen, ganz aufgesaugt zu werden von der europazentrierten globalen Kultur, an deren Gestaltung wir keinen Anteil haben. Wir wissen, Ihr habt uns etwas zu sagen.

Ich denke an Dich, Anowa, Du hast uns gelehrt, wie wir in Harmonie mit uns selbst und mit der übrigen Schöpfung leben können.

Ich denke an Dich, Schöpfer; daran, daß Du Dich abgewandt hast von dem vom Mann erzeugten Rauch und Feuer und die Frau beauftragt hast, ihre Söhne zu lehren, daß sie Gott ehren und sich entschuldigen sollen, wenn sie anderen Unrecht getan haben.

Ich denke an Dich, Gott der vielen Namen. Du hast uns gelehrt, Versöhnung zu suchen, wenn wir uns streiten, Du gabst uns den padare, wo wir unsere Palaver abhalten können.

Ehrwürdige Ahnen, in unserem Land gibt es viel Streit, und ich habe gerade noch mehr davon gesehen und gehört. Wir trauern um Euch, wie wir auch um uns trauern. Aber es scheint, daß gerade in dem Tumult und in dem Verfall, die in Afrika herrschen, der Samen für das neue Afrika liegt, das entschlossen ist zu wachsen, damit es seinen ureigenen Beitrag zur weltweiten Gemeinschaft leisten kann.

Liebe Ahnen, Ihr hattet eine Religion, Ihr wurdet vom Schöpfer geführt. Einige von Euch, wie Nehanda, haben daran bis zum letzten Atemzug festgehalten. Einige von Euch haben diese Religion mit Lehren aus dem Islam, andere mit dem Christentum angereichert, und viele von Euch kämpften darum, sie völlig abzuschaffen, und lehrten, daß auch wir diese afrikanische Religion völlig aufgeben sollten. Aber Ihr habt das Wesentliche der Religion, das in der Kultur verwurzelt ist, an uns weitergegeben. Ich beklage mich nicht. Auch wir sind kreative Wesen, daher haben wir die Herausforderung angenommen, ein Christentum zu schaffen, das unsere afrikanische Identität nicht auslöscht, sondern weltweit zu seiner Bereicherung beiträgt. Wir nehmen uns die Freiheit, das Neue zu suchen, denn wenn wir uns vor positiven Veränderungen fürchten, sind wir dem Verfall ausgeliefert und werden als eigenständiges Volk einfach vom Angesicht der Erde verschwinden.

Habt Ihr nicht gesagt: Wer den Weg bahnt, weiß nicht, daß der Pfad hinter ihm gewunden ist? Auch wir müssen für die Entscheidungen, die wir treffen, einstehen. Trotzdem habe ich das dringende Bedürfnis, denen unter Euch, die sich für Christus entschieden haben, zu sagen, daß wir, die wir Euren Spuren folgen, dem Heiligen Geist weiterhin Kummer machen. Ihr erinnert Euch, daß Jesus, unser spiritueller Vorfahr, für Frieden betete und daß er uns die Fülle des Lebens wünschte. Das war vor fast 2000 Jahren. Die Welt hat nur sehr wenig Frieden erfahren. Wir in Afrika haben in den letzten 500 Jahren Frieden nur auf Kosten unserer Menschenwürde erfahren. Ich weiß sehr wohl, daß einige von Euch gegen den Zwang Widerstand geleistet und dies früh mit ihrem irdischen Leben bezahlt haben.

Ich kann hören, wie Anowa sagt: "Genug ist genug ". Ich sehe Jesus weinen über unsere Unfähigkeit, zu erkennen, was unseren Frieden ausmacht, und uns daran zu halten. Unsere Weigerung, unter seinen mütterlichen Flügeln zu bleiben, bereitet ihm großen Kummer, denn die Hausierer, die um uns herumlungern, sind bereit, uns alle Ideologien und Weltanschauungen zu verkaufen, solange sie sich bereichern und ihrem Rassismus Nahrung geben können. Es ist nicht allzu lange her, daß die westlichen Medien uns erzählten, man habe Afrika "abgeschrieben". Wir haben unsere eigenen Analysen durchgeführt und uns gewappnet, denn wir haben die Realität der Ausbeutung der afrikanischen Ressourcen durch transnationale Unternehmen und das, was mit dem neuen Modewort "Globalisierung" bezeichnet wird, erfahren. Wir kennen die wirtschaftliche Ausbeutung, die das Elend Afrikas vergrößert und die darin besteht, daß die Afrikaner den Westen und immer mehr auch den Osten reich machen. Wir suchen einen Ausweg und wollen einen Schritt nach vorne tun, und wir zählen darauf, daß Ihr, unsere Ahnen, uns dabei begleitet. Heute werden wir an folgendes erinnert:

"Nicht die materielle Armut stellt bei dem Versuch der sozialen Umgestaltung in Afrika das größte Problem dar. Es ist das Fehlen der vitalen inneren Kraft, des moralischen Willens und der Fähigkeit, im Kampf für positive Veränderungen nachhaltige Initiativen zu entwickeln."(3)
Wir haben die Befreiungskämpfe durchgemacht, die Ihr nur zu gut kennt. Heute fahren wir fort, wo Ihr aufgehört habt ... und gewinnen unsere Menschenwürde zurück. Gerade unsere Menschenwürde wird von den Mächtigen sowohl innerhalb als auch außerhalb Afrikas missachtet und übersehen. Heute streben wir nach kultureller Befreiung, indem wir die Wertordnung, die Ihr zu erhalten versucht habt, herausarbeiten und uns zu eigen machen.

Aus diesem Grund nehme ich mir die Freiheit, diese Worte vor Euch auszugießen, meine Ahnen. Ich bin überzeugt, daß sowohl unser afrikanisches als auch unser christliches Erbe sowie der Islam uns etwas zu sagen haben. Selbst das westliche Erbe kann auf einen positiven Beitrag hin geprüft werden. Wart Ihr es nicht, die gesagt haben: "Tete wo bi ka, tete wo bi kyere"? [Die Vergangenheit hat etwas zu sagen, die Vergangenheit hat etwas zu lehren]. Aber die Vergangenheit hat uns nichts vorzuschreiben.

Hört mich noch ein wenig an, meine Ahnen in Jesus. Was kann uns die christliche Vergangenheit für unseren Kampf mit den Realitäten unserer Zeit lehren? Können wir in Afrika ein gesundes und heilsames Christentum finden? Nun, sagt etwas. Okay! Auch Ihr habt Fragen zu stellen. Ihr fragt: Was tun wir in unseren auf Gemeinschaft basierenden Organisationen? Prüfen wir sorgfältig die Konzepte der strukturellen Anpassung, der Liberalisierung, der Privatisierung, oder beschränken wir uns auf die "Rettung der Untergehenden und die Fürsorge für die Sterbenden?" Ich höre, wie Ihr uns drängt, nicht nur "zu verändern, umzugestalten und wiederaufzubauen, sondern reiches Leben in gedeihlicher Umwelt zu hegen, zu stärken, zu schaffen und zu bewahren". Das ist der Weg, sich zu unserer Herkunft zu bekennen.

Ihr ruft uns auf, uns der Tatsache zu stellen, daß wir die Menschenwürde anderer verletzen, ohne dafür bestraft zu werden. Wie recht Ihr habt. Wir versprechen uns selbst einen neuen Tag. Wir haben mit der Sensibilität für Geschlechterfragen und der Gleichberechtigung von Frauen und Männern begonnen. Wenn nur die Kirchen ein Bewußtsein für die Sichtweisen der Frauen, ihr Engagement und ihren Beitrag entwickeln würden, verlören wir nicht so viel Potential. In welchem Kontext und mit welcher Agenda auch immer - Ihr ruft uns auf, besondere Aufmerksamkeit denen zu schenken, die von der Welt als "marginal" betrachtet werden. Neue Stimmen werden helfen, das neue Afrika zu gestalten. Wir haben gelobt, dazu beizutragen, die soziale Ausgrenzung in unseren Gemeinschaften zu beenden; warum sollten wir nicht in der Kirche damit beginnen?

Jesus, Du hast besonders dafür gebetet, daß wir eins sein mögen; sieh an, was wir auf diesem Kontinent aus der Einheit gemacht haben. Wir haben uns vorgenommen, ökumenisch denkende Führungspersönlichkeiten heranzubilden, um unseren konfessionellen Fundamentalismus durch die Begeisterung für die gemeinsame Mission zu ersetzen. Wir werden nicht nur Partner, sondern Gefährten sein, ein Volk, das den Weg nach Emmaus mit Dir geht.

Meine geschätzten Vorfahren, im Jahr 1970 machte David Barrett eine Feststellung, die in mir bis heute Furcht und Zittern auslöst. Er schrieb: "Im Jahr 2000 wird es 350 Millionen Christen in Afrika geben". Ich kann Euch lächeln sehen, denn Ihr habt uns gesagt: "Wenn die Kraft ausschlaggebend wäre, dann wäre der Elefant der König des Waldes"(4). Was bedeutet diese zahlenmäßige Stärke? Was für eine Art von Christentum ist das? Ich mußte an eine Zwiebel denken, die mich einst abgrundtief enttäuscht hat; sie enthielt eine theologische Botschaft. Diese große, perfekt geformte glatthäutige Frucht der Erde hatte ein hohles Zentrum. Die lebenserhaltende Wachstumszone war vertrocknet. Daher frage ich: Wie sieht die Theologie und Spiritualität der afrikanischen Christenheit in ihrem Kern aus: vertrocknet, verfault oder lebendig? Unser Anspruch auf Relevanz hängt von der Antwort auf diese Frage ab.

Was mich heute mit Furcht und Zittern erfüllt, ist, daß Afrika in allen Bereichen, die die Welt beschäftigen, als marginal angesehen und behandelt wird und als Quelle des Reichtums nur für andere und in Glaubensangelegenheiten gilt. Sowohl der Islam als auch das Christentum stehen in vorderster Linie, wenn die Menschen shalom suchen. Daher muß sich der besorgte Beobachter fragen: Was für ein Glaube? Was für eine Praxis? Was für eine Theologie? Was für eine Kirche? Nun, Vorfahr Blyden, ich weiß nicht, ob Du Dich daran erinnerst, aber Du hast einmal prophezeit, daß Afrika zur Quelle der Spiritualität für die ganze Welt werden wird(5). Ich weiß nicht, ob wir dabei sind, das Erbe dieser Prophezeiung anzutreten. Aber ich kenne meine eigene Frage, die Du mir vielleicht beantworten kannst: "Wie kann das Christentum trotz der Erblast aus dem 19. Jahrhundert, dem westlichen Einfluß, zu einem Bezugsrahmen für den Ausdruck der afrikanischen Ideale des Lebens werden?".

Wir leben mit unserer Geschichte und erklären das 20. Jahrhundert zu Afrikas christlichem Jahrhundert. Ihr werdet mir recht geben, daß - obwohl sich die Kirchen der ersten christlichen Jahrhunderte auf die Küsten dieses Kontinents konzentrierten - dieses zu Ende gehende Jahrhundert eine noch stärkere Präsenz des Christentums erlebt hat. Die Kirche ist gewachsen, ja, aber es scheint, daß sich wenig geändert hat seit 1951, als gesagt wurde, daß

"die Kirche evangelikal gewachsen ist, ohne daß es zu einer entsprechenden theologischen, liturgischen und ökonomischen Reife gekommen ist. Diesen 'beklagenswerten Zustand muß mit aller Entschlossenheit begegnet werden.". Es besteht verständlicherweise die Sorge, daß das Christentum als Institution unter dem Druck der politischen und sozialen Veränderungen beginnen könnte, sich vom Kern her aufzulösen, während es an den Rändern noch wächst."(6)
Nun, ehrwürdige Vorfahren, Ihr wißt, daß wir expandieren; es gibt viel mehr Kirchen, viel mehr Missionare aus dem Ausland, viel mehr charismatische Bewegungen und viel mehr Menschen, die bekennen, daß Christus ihr persönlicher Erlöser ist. Es gibt viele, die es Christus überlassen, sich mit ihrem Feind, dem Teufel, zu befassen und die Furcht vor einigen von Euch zu zerstreuen, die sie dämonisiert oder zu dämonisieren begonnen haben. Auch wir wollen einen Pfad des Glaubens schaffen, und daran werden wir gläubig arbeiten.

Wir machen uns nichts vor. Wenn wir gegen das trostlose Bild Afrikas protestieren, das in den westlichen Medien projiziert wird, tun wir das in dem vollen Bewußtsein, dass wir selbst mitschuldig sind und unser eigenes Land ausbeuten. Bessie Head hat gesagt, daß "Menschenverachtung die Wurzel von Betrug und Diebstahl ist". Die Menschen, die in Afrika an der Macht sind oder die eine Beziehung zu Afrika haben, sagen, daß das Volk "unwissend ist, einfach weil es nicht lesen und schreiben kann"(7). Wir verachten uns selbst, wie andere uns verachten, und verkünden dabei, daß Weisheit nicht vom Lesen und Schreiben vieler Bücher kommt. Wir sind uns unserer "sozialen Defekte" bewußt. Wir erleiden oder praktizieren

"eine Form der Grausamkeit, ja der Bosheit, die anscheinend ihre Ursprünge in der Hexerei hat. Es handelt sich um den dauernden Druck psychischer Folter, der seine Opfer in einen Zustand des ständigen Schreckens versetzt. Und wenn sie einmal bei dir angefangen haben, wissen sie nicht, wann sie aufhören sollen, bis du total verrückt wirst. Und dann grinsen sie."(8)
In der zweiten Hälfte dieses Jahrhundert, wie schon in der ersten, haben wir erlebt, wie Politiker - koloniale, zivile und militärische - dies denjenigen antaten, die sie herausforderten. In einem anderen Zusammenhang ist dies ein Bild für die wirtschaftliche Strangulierung Afrikas durch die globalen Finanzmächte, die Mazrui zu der Frage veranlaßt: "Gibt es ein Leben nach den Schulden?"(9)

Wenn wir nicht siegreich überleben können, dann sind wir nicht Eure Kinder. Inmitten all dieser finanziellen Hexerei versichert uns Mazrui, daß Afrika durchaus Einfluß hat, denn wir besitzen das, was er "Gegenmacht" nennt. Gegenmacht wird definiert als "Macht, die von denjenigen, die absolut gesehen schwächer sind, ausgeübt wird gegenüber denjenigen, die absolut gesehen stärker sind". Er sagt, daß man Macht hat, selbst wenn man Schuldner ist, denn "die Drohung der Zahlungsunfähigkeit macht den Gläubiger verwundbar"(10). Es gibt eine gegenseitige Verschuldung, die - wie die christliche Lobby sagt - nur durch Erlaß der Schulden aufgelöst werden kann. Nichts anderes sagt oder tut die Kirche Afrikas hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation, die anscheinend den Kern der Herabsetzung unserer Menschenwürde darstellt(11). Im Jahr 1995 veranstaltete der AACC eine Konsultation über "Demokratie und Entwicklung in Afrika: Die Rolle der Kirchen". Das Protokoll wurde anschließend überarbeitet und von J. N. K. Mugabi veröffentlicht. In diesem Band finden sich einige Hinweise für unsere Fragen.

Nananom, Du bist bei uns, und daher bist Du Zeuge der Tatsache, daß es um die politische Weisheit in den religiösen Gremien in Afrika nicht gut bestellt ist. Der dramatische Verfall der Strukturen, die Dir gedient haben, hat uns geschadet und wo die Strukturen fortbestehen, geraten sie in Konflikt mit der aufgezwungenen Verwestlichung. Wir haben immer noch die Kirchen und die Moscheen. Diese haben die Möglichkeit, mindestens einmal wöchentlich mit dem Leben der Menschen in Kontakt zu kommen, ganz zu schweigen von den täglichen und persönlichen Kontakten mit diesen lebendigen Wurzeln unserer Nationen. Aber man kann sich immer noch fragen: "Wie wird diese Chance des Kontakts zu den Menschen genutzt?"

Die politischen Parteien nutzen ihre Möglichkeiten, um die Menschen dazu zu bringen, sich hinter die Interessen der Partei zu stellen, von der sie behaupten, daß sie mit den Interessen der Nation vertritt. Aber die Ergebnisse sind zwiespältig, denn unsere politischen Führer artikulieren am besten die Bedürfnisse der Menschen, sind aber gleichzeitig gezwungen, "von außen auferlegte Projekte der Demokratisierung und Bevölkerungskontrolle" durchzuführen; die Globalisierung erfordert wirtschaftliche Strukturanpassungen, die die Verantwortung für das Überleben auf die Menschen selbst und ihre gemeinschaftlichen Anstrengungen in Form der "Zivilgesellschaft" abwälzen. Meine Ahnen, ich bin verwirrt: "Wozu dienen unsere Steuern ausser für die Aufrechterhaltung von Armeen und einer schlecht ausgerüsteten Polizei?" Die komplexen politischen und wirtschaftlichen Probleme haben uns überwältigt und zu sozialem Verfall geführt, der die Menschen nach spiritueller Unterstützung lechzen läßt: "Was ist die Antwort der Kirchen?"

Die oben erwähnte Konsultation macht klar, daß "es irreführend und gefährlich ist, inmitten von massiver Armut ein Evangelium der Fülle zu predigen". Es ist irreführend, weil wir die Menschen nicht zu einer Analyse der "sozio-kulturellen Zwänge bringen, die vielen afrikanischen Gemeinschaften Lebensbedingungen vorenthalten, die allgemein als zumutbar bezeichnet werden können"(12). Es ist gefährlich, weil wir behaupten, daß die Religion das Allgemeinwohl fördert, aber die Menschen nicht befähigt auch selbst etwas dafür zu tun.Und vor allem ist es irreführend, weiterhin zu lehren, daß man Religion und Politik nicht vermischen soll, wenn sowohl Religion als auch Politik behaupten, daß sie sich um das Wohlergehen der Menschen kümmern. Es ist irreführend, weil wir es auf dieser Seite des Grabes nicht wagen, Leib und Seele voneinander zu trennen; daher müssen wir auch dafür sorgen, daß die Religion unserer Menschenwürde dient.

Geliebte Ahnen, Ihr habt Euer Volk für Arbeit aufgegeben, dann habt Ihr das Land der Kolonialisierung überlassen müssen. Ihr wart die ersten, die die Globalisierung unserer Wirtschaft erfahren haben. Ihr habt den Anbau von Mais auf Kaffee umgestellt, um die Handelsklauseln zu erfüllen. Ihr wurdet gezwungen, Eure traditionelle Staatskunst aufzugeben und habt den Weg beschritten, der zu einem modernen Staatswesen und zum "Schwarzwerden" der UNO in den 60er Jahren führte(13). Dabei wurden wir, Eure Kinder, in eine eurozentrierte Weltkultur eingegliedert. Ich sage nicht, daß alles nur schlecht ist. Einige von uns, Eure Kinder, können sich in den Sprachen der Kolonialmächte, also weiteren Sprachen neben ihrer Muttersprache, verständigen. Aber ob wir diese Sprachen sprechen oder nicht - wir sind durch eurozentrierte "internationale" Gesetze gebunden, die wir nicht mitformuliert haben. Ich wußte, daß Ihr sagen würdet: "Aber einige davon könnt Ihr doch ändern". Wir müssen uns von dem sorgfältig gepflegten Unterlegenheitsgefühl befreien, das uns beschleicht, wenn wir westlicher Wissenschaft und Technologie gegenüberstehen. Ich wußte, Ihr würdet darauf hinweisen, daß Technologie keine Rasse hat und daß einige Menschen, die nicht europäischer Herkunft sind und keine Kolonialisierung erfahren haben, an ihrer Entwicklung beteiligt sind. Ja, ich stimme zu und würde sogar hinzufügen: "Das gilt auch für einige andere ehemalige Kolonialvölker". Nichts hindert uns daran, es so zu machen wie diese.

Ihr, unsere Ahnen, habt Eure ständige Präsenz behauptet, damit wir arbeiten können; daher könnt auch Ihr Euch im weltweiten Christentum zu Hause fühlen. Wir werden nicht länger an eurer Dämonisierung in Übersetzungen und in der Theologie mitwirken. Wir erkennen heute, daß kultureller und religiöser Pluralismus eine globale Realität ist. Diesen Pluralismus ernstnehmen bedeutet, auch die afrikanische Religion ernstnehmen. Wir afrikanischen Christen sollen lernen, sowohl authentische Afrikaner als auch authentische Christen zu sein. Die Herausforderung besteht darin, zum Weltchristentum und zu einer christlichen Ökumene beizutragen.

Wir brauchen den Dissens; daher werden wir unserem afrikanischen Erbe treu bleiben, aber doch zu denjenigen lokalen Kulturen kritische Distanz bewahren, die wir entwürdigend finden. Das bedeutet, daß alle von außen angestoßenen Veränderungen genau geprüft werden müssen, denn auch wir sind verpflichtet, zur Veränderung und Gestaltung der Weltgeschichte und Weltkultur beizutragen.

Ihr habt - wie ich - heute die Lebensgeschichten gehört. Wir stehen vor der Aufgabe, den Würgegriff, in dem der Westen Afrika hält, zu lockern. Der ausgeprägte Euro-Zentrismus der letzten fünfhundert Jahre bedeutet, daß auch die Weltkultur seine Spuren trägt. Wir müssen uns bewußter darum bemühen, auf den Werten aufzubauen, die Ihr aus Eurer Erfahrung geschaffen habt. Wir brauchen eine völlig neue Vision von uns selbst und einen positiven Ausblick, der neue Perspektiven hervorbringen wird. Sowohl Idowu als auch Mazrui beschreiben Afrika als Frau. Ich verzeihe ihnen ihren Sexismus. Mazrui beschreibt Afrika als eine Frau mit dem Ausdruck "der weibliche Kontinent - passiv, geduldig und penetrabel"(14). In seinem Buch African Traditional Religion: A Definition vergleicht Idowu das, was die mächtigen Nationen von Afrika erwarten, mit dem, was die meisten Gesellschaften von Frauen erwarten:

"Wenn sie sich vorschriftsgemäß verhält und eine niedrigere Position akzeptiert, wird das ihrer 'Armut' geschuldete Wohlwollen auch gewährt, und dafür zeigt sie sich selbst zutiefst und demütig dankbar. Wenn sie es sich aber aus irgendeinem Grund in den Kopf setzt, selbstbewußt aufzutreten und Gleichberechtigung zu fordern, dann löst sie ein Stirnrunzeln aus; sie wird beschimpft; sie wird offen oder indirekt verfolgt; es kommt dazu, daß sie sich gewissermaßen innerlich spaltet ..."(15)
Da Frauen diese Klischees ablehnen, muß auch Afrika diese weibliche Typologie zurückweisen. Wir haben an der Veränderung der Welt und an der Evangelisierung Afrikas teilgenommen, von Anbeginn des Christentums und auch in späteren Jahrhunderten. Es ist unsere Pflicht, unseren Beitrag zu identifizieren, um der Nachwelt zu helfen, Selbstachtung aufzubauen.

Heute sind wir nach wie vor in die westliche Einflußsphäre eingebunden und anscheinend unfähig, unsere gegenseitige Abhängigkeit zu betonen, um die Selbstachtung unserer Kinder aufzubauen. Der Westen beeinflusst nach wie vor unsere Wirtschaft und unsere Politik, denn er braucht uns als Markt und als Investitionsstandort. Unsere Ressourcen haben dazu beigetragen, ihre Welt zu entwickeln; daher können wir sie dazu bringen, unsere regionalen Strukturen zu stärken. Wir können und müssen pan-afrikanisch denken. Wir können und müssen gedanklich und praktisch auf eine Veränderung hinwirken. Wir haben es in Südafrika getan, wo wir unsere Menschenwürde aus dem Rachen des Rassismus gerettet haben. Wie wird Südafrika diese wiedergewonnene Würde in Afrika und weltweit nutzen?

Die Welt holt sich aus Afrika Mineralien, und wir haben die numerische Macht in der UNO. Sollten wir dies nicht nutzen, um die transnationalen Unternehmen stärker zur Verantwortung zu ziehen? Es scheint mir, daß die Weltgemeinschaft durch die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds das Geld zu etwas Sakralem gemacht und es sogar noch höher bewertet hat als den politischen Staat. Könnten wir in Afrika nicht unsere Diamanten, unser Gold und Öl im Innern der Erde lassen, wenn wir sie nicht zugunsten Afrikas sprechen lassen können?

Wir sind intensiv christianisiert worden; könnten wir uns nicht dafür einsetzen, die Gestalt des Christentums zu beeinflussen oder zumindest unsere eigene afrikanische Praxis und Glaubensartikulation zu entwickeln? Könnten nicht andere spüren, daß unser Glaube sie anspricht oder daß wir zumindest die Vielfalt und die verschiedenen Möglichkeiten, den Glauben zu leben, vergrößern und bereichern. Wir würden zur Gestaltung der Geschichte des Christentums beitragen und die universale Bedeutung des Kommens Jesu Christi zeigen. Die westliche Christenheit war hauptsächlich eine ent-afrikanisierende Macht, aber das muß nicht so weitergehen. Ihr, unsere Ahnen, erwartet nun von uns, daß wir es besser machen. Daher - mit Euch in der großen Wolke von Zeugen - rufe ich meine Schwestern und Brüder afrikanischer Abstammung auf zur Umkehr und zur Verpflichtung. Wir können es uns nicht leisten, weniger zu tun.
 

Aufruf zur Umkehr und zur Verpflichtung
Wir wollen zu uns selbst zurückfinden, indem wir zu Gott umkehren, so daß wir mit Integrität voranschreiten können.
Wir werden nie wieder auf Zehenspitzen gehen.
Wir werden nie wieder Erniedrigung hinnehmen.
Wir bekräftigen die einheimischen afrikanischen Wege neu, die den Samen für eine Humanisierung der ganzen Menschheit enthalten.
Wir lehnen Gesetze ab, die den Interessen der Gesetzgeber zu Lasten der Menschen dienen.
Wir werden nie wieder Staatsstreiche und religiöse Kämpfe über uns ergehen lassen.
Wir werden nie wieder zulassen, daß Afrika von außen her seiner kulturellen Identität beraubt wird.
Wir widersetzen uns der Verwestlichung, die im Gewand der Christianisierung daherkommt.
Wir werden nie wieder schweigen zu einer opportunistischen ausländischen Politik des offenen Marktes und der Liberalisierung, die unser Erbe für ein Linsengericht verkauft.
Wir werden uns nie wieder auf ausländische Lebensstile einlassen, wenn wir nicht den Boden haben, der gewährleistet, daß diese Lebensstile für uns gedeihlich sind.
Wir lassen ab von Nachlässigkeit, Mißwirtschaft, Korruption und unseren engen Vorstellungen von Zugehörigkeit und Gemeinschaft.
Wir werden uns nie wieder mit einem Dasein als Jäger und Sammler zufriedengeben, ohne eine gesicherte Existenz, ohne kreative Kultur, zu Tode resigniert inmitten einer verfallenden Infrastruktur.
Wir geloben Euch und uns selbst vor dieser großen Wolke von sichtbaren und unsichtbaren Zeugen in der ganzen Welt:
Wir werden nie wieder auf Zehenspitzen durch die Welt gehen, die Gottes Welt und unser gemeinsames Erbe ist.

Notes
1. Ein Gemälde aus Howardena Pindells Autobiographie Water/Ancestors/Middle Passage/Family Ghosts 1988, das 1998 bei der Ausstellung The Black Aesthetics, African American Arts im Wadsworths Athenaeum zu sehen war. Kalender 1998 für den Monat Oktober.
2. Ich hatte die Erforschung der afrikanischen Kultur durch Ali A. Mazrui im Sinn, als ich diese Analyse der Bedeutung unserer gegenwärtigen Erfahrung in Afrika durchführte; wie er glaube auch ich, daß Afrika sich in einer kritischen Phase befindet, in der die Kultur im Mittelpunkt stehen muß. Siehe sein Buch und das Video The Africans: a triple heritage, Little, Brown and Company, Boston & Toronto, 1986.
3. Aus einem ÖRK-Papier zur "Plenarsitzung Afrika" für die 8. Vollversammlung des ÖRK, Harare 1998.
4. David Barrett, IRM, vol. 159, No. 233, London, 1970, S. 39-54.
5. Blyden, Edward Wilmot, "Ethopia Stretching Out Her Hands to God or Africa's Service to the World" in Christianity, Islam and the Negro Race, Edinburgh, Edinburgh University Press, 1967, S. 124; siehe Kwame Bediako, Christianity in Africa, Edinburgh University Press, & Orbis Books, 1995, S. 6-14.
6.The Missionary Factor in East Africa, 2nd edition, Longmans, 1951.
7. Bessie Head, A Question of Power, Heinemann, Oxford, 1974, S. 133.
8.Bessie Head, op. cit., S. 137.
9. Mazrui, S. 314.
10. 9. Mazrui, S. 314-5.
11. Herabsetzung ( engl.denigration) verstehe ich hier als de-nigration (wörtlich: Ent-schwärzung), einen Versuch, unsere Menschlichkeit "weiß zu machen", unsere afrikanische Identität zu vernichten, uns zu Schatten unserer selbst zu machen.
12. Mugambi, S. 33.
13. Ruth Engo bei einer Konferenz über Afrika in Stony Point, USA, 1998 zum Thema: "The UNO and Africa".
14. Mazrui, S. 303.
15. E. B. Idowu, African Traditional Religion: A Definition, S. 77.

Verpflichtung zu einer Reise der Hoffnung

UNSERE BEKRÄFTIGUNG

LEITER 1:
Vor dir, oh Gott, dem Schöpfer des Universums, dem Träger des Leids und Lebensspender, in der Gegenwart unserer Ahnen und der Menschen aus der ganzen Welt, bekräftigen wir auf diesem Boden, den Du uns als Gabe vererbt hast, die von Generation zu Generation zu bewahren ist:

Unser Glaube wird erneuert in Deinem Namen, denn in Dir wird all unsere Traurigkeit und unser Schmerz verwandelt in Freude und Hoffnung!

ALLE:
Wir wissen, daß unsere Vorfahren durch ihre Umkehr zu Gott überleben, der Sklaverei und Entvölkerung, der kolonialen Besatzung und dem kulturellen Verfall, der religiösen und ideologischen Invasion widerstehen und Gott loben konnten in Freude und Hoffnung selbst inmitten ihres Leidens.

Es gibt Geschichten des Lebens und der Würde, des Mutes und des Opfers, die von den Gründervätern und -müttern des Pan-Afrikanismus und den Pionieren der afrikanischen Unabhängigkeit inspiriert wurden.

Wir erobern diese Realität heute zurück und bieten sie der nächsten Generation an.

LEITER 2:
Wir hören mit unseren Herzen darauf, was der Geist von den Kirchen will, und auf die Antwort des Gottesvolkes im heutigen Afrika.

Aus der Freiheit des Geistes heraus sind wir zu Söhnen und Töchtern Gottes geworden, denn wir haben nicht einen Geist empfangen, der uns zurückführt zu Sklaverei und Furcht.

ALLE:
Daher werden wir uns weigern, von den Mächten und Herrschern dieser Welt durch Dekret regiert oder zur Geisel genommen zu werden.

Wir lassen uns von niemandem und nichts versklaven. Nichts wird uns zurückführen zu den Tagen der Unterdrückung und Ausbeutung.

LEITER 1:
Indem wir zu Dir, oh Gott, umkehren, werden wir zueinander hingezogen. Wir werden aus den Ruinen der Vergangenheit eine neue Vision des Lebens und der Gerechtigkeit aufbauen, um unserem Volk Hoffnung zu geben.

ALLE:
Für uns selbst und für alle Söhne und Töchter dieses großen Kontinents, bezeugt von dieser ökumenischen Versammlung, fordern wir unsere Würde als Volk Afrikas auf dem Kontinent und in der Diaspora zurück.

Wir sind Teil der Menschheit und bekräftigen unseren besonderen Platz in ihrer Geschichte.

  (TROMMELN)

UNSERE VERKÜNDIGUNG
LEITER 2:
Diejenigen, die sagen, daß Afrika ein hoffnungsloser Fall ist, sollen erkennen, daß wir Gottes Volk sind, das gerufen ist, in Hoffnung fröhlich zu sein.

Dieses sehr fruchtbare Land, in dem wir leben, ist reich an Gold und Silber und Öl, das die Menschheit nährt und ihr Energie gibt. Es ist ein heiliger Grund, voll des Erbes und der Ursprünge des Lebens.

ALLE:
Aber unser Volk bleibt arm und wird von der großen Last der Schulden niedergedrückt. Und wir beobachten mit Entsetzen, wie aufgrund der erdrückenden Gesetze des Welthandels unsere wertvollen Güter geraubt und zu Schleuderpreisen verkauft werden.

LEITER 1:
Vor Gott dem Schöpfer und in der Gegenwart des Gottesvolkes verkünden wir das Jahr des Herrn!

ALLE:
Wir fordern die Streichung der Schulden,
damit unser Land befreit wird, so daß es genug für unsere Kinder produzieren kann,
und daß jede zukünftige Kreditaufnahme nur mit Zustimmung unseres Volkes geschieht. Nur dann werden wir die Kredite verantwortlich entgegennehmen und zurückzahlen können.

LEITER 2:
Laß den Geist Gottes über uns kommen und unsere Herzen und die Bedingungen verändern, damit auch wir nicht zu einer lebendigen Last werden für uns selbst und das Volk, dem wir dienen.

ALLE:
Möge der Gott des Lebens unsere Füße und unseren Verstand leiten, denn wir wollen nicht vergeblich auf dieser Straße der Hoffnung reisen.

LEITER 1:
Wir, das afrikanische Volk, erkennen zusammen mit der Kirche bei dieser Vollversammlung an, daß Korruption eine weltweite Realität ist und daß sie in vielen unserer Institutionen und Regierungen grassiert.

Korruption ist eine Sünde mit unmoralischen und kriminellen Folgen. Wir bereuen diese Sünde in unserer Mitte, und, indem wir um Gottes Vergebung bitten, beschließen wir, sie auszumerzen und in allen unseren Institutionen die Integrität wiederherzustellen. Wir erkennen auch mit Abscheu an, daß es Entwicklungen in der Globalisierung gibt, die die Korruption fördern und Armut unter unserem Volk hervorrufen.

    (TROMMELN)

UNSER BUND MIT GOTT
ALLE:
Wir, das Volk und die Kirchen in Afrika, danken für die zahlreichen Segnungen, die wir durch Gott erfahren haben.

LEITER 1:
Wir erkennen an, daß die afrikanischen Führer in der Vergangenheit und in der Gegenwart Verbrechen gegen ihr eigenes Volk begangen haben.

ALLE:
Wir bereuen jetzt unsere Sünden, die wir gegen einander begangen haben, und bitten dich, oh Gott, unser Land zu heilen und uns von allem Bösen zu erlösen.

LEITER 2:
Unsere Herzen sehnen sich danach, von der Verzweiflung befreit zu werden, damit wir im Glauben ausharren können dank Gottes Verheißung, unsere Würde wiederherzustellen und alle unsere Träume zu erfüllen.

ALLE:
Möge Gott uns die Weisheit und das Wissen geben, die wachsende Aufgeschlossenheit der Öffentlichkeit gegenüber einer neuen Vision des Lebens für unser Volk in Afrika und für die übrige Welt nutzbar machen zu können.

LEITER 2:
Laßt uns unseren Glauben an den Gott der Liebe erneuern, in dem unsre Zukunft sicher ist und unser Kummer sich in große Freude verwandeln wird.

ALLE:
Wir, das afrikanische Volk auf dem Kontinent und in der Diaspora,
wurden erneut an unsere schwierige Vergangenheit erinnert.

Aber, inspiriert von den Geschichten des Widerstands mit dem Mut und der Opferbereitschaft unserer Vorfahren,

und befähigt durch die Zeichen der Hoffnung - eine zunehmende Akzeptanz demokratischer Regierungsformen, das Ende des Apartheid-Regimes und die Kommission für Wahrheit und Versöhnung in Südafrika -,

erneuern wir hiermit unsere Verpflichtung, unsere Gemeinschaften neu zu errichten und neu aufzubauen und unermüdlich für die Zukunft eines afrikanischen Lebens in Fülle zu arbeiten. Wir verpflichten uns dazu,

an der unvollendeten Aufgabe der Transformation unserer sozialen, politischen und ökonomischen Systeme und Institutionen für eine inklusive und gerechte Gesellschaft weiterzuarbeiten;

Frieden und Versöhnung für unser Volk und unsere Gemeinschaften zu suchen und herzustellen;

angemessene ethische Werte für die Arbeit, die Staats- und Verwaltungsstrukturen und das Management sowie gute Haushalterschaft zu schaffen;

alles uns Mögliche zu tun, um die Geißel HIV/AIDS zu überwinden;

das Recht der afrikanischen Kinder zu bekräftigen, auf eine schöne Zukunft zu hoffen, zu der wir mit all unserer Stärke und unserer Fähigkeit beitragen wollen.

Daher erneuern wir unseren Bund mit Gott und erfüllen diese Versprechen und fordern Männer und Frauen guten Willens, und besonders diese Vollversammlung auf, uns auf dieser Reise der Hoffnung zu begleiten.

LEITER 1:
Auch wenn man uns zurückgesetzt hat an den Schluß, als Wiege der Menschheit wissen wir, daß Gott uns zuerst geliebt hat.

Auch wenn man uns verschmäht, wir werden dennoch den Test der Menschheit willkommen heißen im Hause Gottes.

LEITER UND ALLE:
Denn wir werden umkehren zu Gott und fröhlich sein in Hoffnung.

    (TROMMELN - JUBELGESANG)



Plenarsitzungen der Vollversammlung
8. Vollversammlung und 50. Geburstag
Urheberrecht 1998 Ökumenischer Rat der Kirchen.
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